DER KI-BLICK IN DIE ZUKUNFT
Text: Martin Sigrist Bilder: Arthur Mebius
Künstliche Intelligenz, auf Englisch Artificial Intelligence AI, ist das grosse Thema dieses Jahres geworden. Mit leicht bekömmlichen Tools steht es fast jedem offen, sich ihrer zu bedienen, um Texte oder Bilder zu generieren. Wir haben uns den Jaguar der Zukunft vorgenommen.
«Ich suche den Jaguar von 2050, er soll alternativ angetrieben sein, wie wäre es mit einem Fusionsreaktor? Das würde uns Energie in Fülle bereitstellen, die Autos sollen so neu und revolutionär sein wie damals der S.S. 1, der XK 120, der E-Type, der XJ oder auch der XJ220. Vermutlich werden das eher Raumschiffe als Autos, voll digital, aber supersexy», etwa so lautete mein Brief für Arthur Mebius, in Cannes mit einer goldenen Palme gewürdigter Fotograf (etwa für eine Kampagne der SUVA) und gern gesehener, holländischer Gastarbeiter in Sachen Werbefotografie hierzulande, so beispielsweise für die Migros mit der Kampagne «Aus der Region – für die Region» und mir ein sehr guter, langjähriger Freund.
Vielleicht lag es im Nachgang der letzten Tribune, dass ich mir nach allem, was in der grossartigen Geschichte unseres Lieblingsherstellers nun zu Ende gehen soll, einen Lichtblick suchte, die Vorstellung wünschte, dass wir demnächst wieder mit Bewunderung einen Showroom unter dem Zeichen der springenden Katze betreten, ob real oder digital sei dahingestellt. Mebius hat sich meiner Wünsche angenommen und die Vergangenheit und die Zukunft durch die AI-Mühlen laufen lassen. Die ersten Resultate aber waren alles andere als überzeugend. Der Vergangenheit näher als der Zukunft, bescherte uns die Künstliche Intelligenz eher Monstrositäten im Retro-Space-Age-Design. Liegt dies womöglich daran, dass dort, wo sich dieses digitale Gebilde seine Inspiration holt, es wesentlich mehr Content zu finden gibt, der aus der Blüte des Unternehmens Jaguar stammt – die 1950er- und 1960er-Jahre – denn aus jüngerer Zeit? Mehr Space und mehr 2050 sollten einfliessen. Das Resultat zeigt sich hier. Dazu gibt es einige Ergänzungen:
DER ANTRIEB:
Wie auch immer, vermutlich bleibt es beim Strom als Antriebsenergie. Wie dieser generiert wird, ist eine andere Frage. Wir sind vom Ideal ausgegangen, von der Kernfusion, die Energiequelle, aus der auch unsere Sonne schöpft. Damit sind zwar noch riesige Probleme verbunden, hätte uns allerdings 2005 jemand erzählt, wir würden heute von hier elektrisch nach Mailand fahren, und wieder zurück bis über den Gotthard, hätten wir das nicht geglaubt. Also, wir sind zuversichtlich - zukunftsgläubig. Was wird dies für den Antrieb des Wagens bedeuten? Zunächst stehen uns grosse Energiemengen zur Verfügung – in letzter Konsequenz ist es elektrischer Strom. Reichweitenangst ist passé, unser Jaguar 2050 fährt mit einer Lifetime-Charge. Die E-Motoren sind derweil noch kompakter geworden und lassen sich nun auch ohne allzu schweren ungefederten Massen direkt am Rad anbringen. Der Platz im Auto kommt dem Reaktor und den Passagieren zugute. Der bisher übliche und notwendige erhöhte Wagenboden für die Batterien entfällt, schlanke, niedrige Wagen sind wieder sexy und heben sich wohltuend von den mächtigen SUVs ab, die nach 2035 langsam aus der Mode gekommen sind.
DER INNENRAUM:
Wir wissen noch nicht so genau, wohin diese Reise gehen wird. Gewiss ist, wir dürfen noch immer selber fahren, für einen Jaguaristen oder eine Jaguaristin ist dies keine Bürde, sondern ein Vergnügen. Allerdings – wir müssen nicht, wenn wir das nicht wollen. Unsere Innenräume werden also modular und sehr variabel. Ob wir dann noch dem veganen Trend hinterherlaufen oder unsere Wertschöpfung gar vorwiegend aus dem Recycling verbrauchter Altstoffe generieren, lassen wir hier aus. Die Freude an wohlriechendem Holz und Leder wird wohl auch 2050 nicht vergangen sein. Da uns Elektrizität im Überfluss zur Verfügung steht, werden wir mit einer Vielzahl an Annehmlichkeiten rechnen dürfen. Ich freue mich auf ein Food-Center für den kleinen Hunger und frischen Espresso unterwegs.
SICHERHEIT:
Ein Ei bietet, verglichen mit seiner brüchigen Schale, eine ideale Form zum Schutz des Inhalts. Schlägt man hier Löcher rein, wird dessen Struktur geschwächt. Genau gleich verhält es sich mit der Carosserie eines Autos. Jede Öffnung stellt ein Schwachpunkt dar, der mit Zusatzmaterial – und damit Gewicht – wieder kompensiert werden muss. Darum lassen wir die grössten Öffnungen am Auto weg, die Scheiben. Damit sparen wir auch den Einsatz eines Materials, das abgesehen von etwas Wind, Regen und Debris abhalten und durchsichtig sein, erschreckend wenig zu leisten vermag: Glas! Es ist in Sachen Dichte nicht nur der schwerste Werkstoff eines Autos, sondern auch der am wenigsten belastungsfähige. Wir ersetzten das Glas mit Kameras aussen und Projektoren innen. Das gibt uns eine 360-Grad-Sicht ohne Dachsäulen und die Möglichkeit, mit Restlichtverstärkung gar eine Nachtsicht zu realisieren. Tote Winkel wird es ebenso keine mehr geben. Der Wagen erhält so eine nahezu undurchdringliche Sicherheitszelle und die Frage nach dem nächsten Restaurant lässt sich mittels augmented Reality direkt in die Landschaft einblenden. Dies natürlich genauso wie der Wegweiser, der zeigt wo lang es geht.
KOMFORT:
Ein weiterer Gedanke, der bei der Gestaltung in unsere künftige Wagenflotte eingeflossen ist. Was wäre, wenn wir jegliche mechanische Verbindung zwischen Rad und Fahrzeug eliminieren und ganz auf die Kraft von Magnetismus setzen? Wie bereits erwähnt, stehen uns grosse Mengen an Energie zur Verfügung. Statt nun das Rad mit Quer- und Längslenkern an Ort zu halten, könnten wir dies mit Magneten erreichen. Das Element, welches uns am Boden hält, ist zwar noch immer ein Reifen – oder auch nicht, dazu kommen wir später – aber die Bewegungen dessen entlang der Strassenoberfläche und jene des restlichen Fahrzeuges sind komplett mechanisch entkoppelt. Das Resultat ist ein Fahrkomfort wie ein fliegender Teppich. Und zum sowieso schon kaum wahrnehmbaren Fahrgeräusch des Antriebs gesellt sich die völlige Abwesenheit von Poltern und dergleichen.
Wenn wir nun auch die Räder weglassen, vielleicht ist dies nur auf gewissen Strecken möglich, dann erreichen wir einen Fahrzustand, dessen Inspiration ich mir von einem kurzen Stück Teststrecke von Fiat geholt habe. Die Italiener versuchen gerade, durch Induktion eines in der Fahrbahn eingelegten Kabels ein Elektroauto permanent mit Strom zu versorgen. Ein ähnliches System liesse sich auch mittels einer magnetischen Fahrbahn für die Realisierung eines Schwebezustands erreichen.
Ob damit auch gleich noch der Vortrieb gewährleisten werden kann, ist eine weitere Option. In der Gestaltung der Wagen widerspiegelt sich die verlorene Bedeutung von Rädern, oder deren «Anbindung» nicht nur von einer Seite des Wagens in deren vollständigen Einschliessung in den Karosseriekörper. Ob wir oder unsere Kinder dies jemals so, oder in einer ähnlichen Form erleben werden? Wir wissen es nicht, aber wir wissen, dass wir noch lange am Auto festhalten wollen – ob in dieser oder in einer anderen Form. Ebenso gewiss ist, dass wir uns eine glorreiche Zukunft für unsere Lieblingsmarke wünschen. Denn bereits damals, mit einem weitaus grösseren Blick fürs Ganze, wesentlich mehr Mut weil in der realen Welt agierend und einem Unternehmen verpflichtet, statt nur mit Spielereien am Computer beschäftigt, hat Jaguar-Gründer William Lyons gezeigt, dass jedem grossen Wurf eine verwegene Idee vorauseilt – und oft ist die Zukunft verrückter und weitergreifend – siehe ebendiese Digitalisierung, als wir sie uns ausgedacht haben.