EV-TYPE – EIN ELEKTRIFIZIERTER E-TYPE
Text & Bilder: ChristianWelter
Die Einfahrt zur Werkstatt von Ed Watson ist wie diejenige zu einem Herrenhaus: Links und Rechts ein mit jungen Bäumen gespickter gepflegter Rasen. Auf der hinteren Seite des Anwesens steht eine gewöhnliche englische Werkhalle, vor welcher der elektrifizierter Light Blue Metallic EV-Type abgestellt ist. Mein Freund Patrick nimmt dies zum Anlass, seinen grünen E-Type S1 Nase an Nase hinzustellen.
ED WATSON & CO
Zwanzig Jahre lang sammelten Ed Watson und seine Frau Sue Erfahrungen in der Restauration und im technischen Support und Unterhalt von klassischen Autos. 2009 starteten sie dann ihr eigenes Unternehmen, in welchem im Jahre 2010 noch ihr Sohn Paul dazukam. Zwei weitere Fachleute, welche die Watsons seit 23 Jahren kennen, gehören ebenso zum Team der mechanischen Werkstatt. Ihre Tochter Hannah, ist die Sattlerin, welche die im Haus produzierten Cockpit Ausstattungen in den restaurierten Fahrzeugen einpasst. Eine weitere Hannah, Pauls Ehefrau, führt die Administration. Ein echtes Familien Business.
Zu Beginn war Watsons Fokus auf Rolls-Royce und WO Bentleys Modelle gerichtet. Später wurden jedoch schnell Jaguar zu ihrem Spezialgebiet, wobei das Schwergewicht auf dem E-Type liegt. Heute pflegen sie Fahrzeuge von langjährigen Kunden, führen alle Unterhaltsarbeiten durch, reparieren im Haus Motoren und Getriebe von XK und V12 und restaurieren komplette Autos.
ELEKTRIFIZIERTER E-TYPE
Der eigentliche Grund die Watsons zu besuchen ist nicht um ihre Werkstatt, sondern um ihr elektrifizierten E-Type zu sehen. In der Werkstatt befindet sich ein weiterer E-Type im Prozess der Elektrifizierung. Und schon sind wir, in medias res. Im EV-Type (Electric Vehicle) nimmt der elektrische Motor sowie das Reduktionsgetriebe den Platz der ursprünglichen Kupplung und des Getriebes ein. Der Elektromotor dreht dabei bis 18’000 Umdrehungen pro Minute. Das Reduktionsgetriebe reduziert dies um ein Drittel auf 6’000 Touren. So können das originale Differenzial und die originale Hinterachse behalten werden. Das Beibehalten des IRS war für die Watson sehr wichtig, um die Handling-Charakteristiken des E-Type zu behalten. Auf dem Motor ist das Motorsteuerungsgerät zu sehen. Im Motorraum befindet sich ein erster Batterien-Block, und die Bilder zeigen, wie massiv er ist. Im Kofferraum, an Stelle des Reserverads und des Tanks, ist der weitere Batterien-Block untergebracht. Es bleibt für das Gepäck der Passagiere somit nur ein reduzierter Platz. Diese Konfiguration, mit etwas mehr Gewicht auf der Hinterachse, soll, gemäss Paul, die ursprüngliche Gewichtsverteilung leicht verbessern. Die Ladesteckdose befindet sich unter dem Deckel des Tankfüllstutzens. Eine volle Ladung soll eine Reichweite von 320 km ergeben. Eine konventionelle 12 V Batterie erlaubt das Starten des Fahrzeugs, ähnlich wie dies auch bei heutigen E-Fahrzeugen der Fall ist.
Motor, Batterien und Motorcontroller werden mit einem Wasserkreislauf gekühlt. Da die Wärmeenergie nicht genügen würden, um das Cockpit zu heizen, steht eine elektrische Heizung zur Verfügung, welche im Original- Heizungsgehäuse eingebaut ist.
Ziel der Watsons war es den Umbau zu 100 % reversibel zu gestallten. Es wurden nur originale Befestigungspunkte verwendet und keine Modifikationen an der Struktur des Fahrzeuges vorgenommen. Sogar der originale Kabelbaum eines Fahrzeuges mit XK Motor wurde verwendet. Die Instrumente im Cockpit sehen bekannt aus, haben jedoch andere Funktionen. Anstelle der Drehzahlen wird gezeigt, ob die Batterien entladen (weisse Zahlen) oder geladen (blaue Zahlen) werden. Die Zahlen selbst haben keine Bedeutung. Sie sollen lediglich Original aussehen.
Uns ist bekannt, dass Engländer Upgrades lieben. So auch im hellblauen E-Type. Stärkere Bremsen und Stossdämpfer und elektrische, geschwindigkeitsabhängige, Servolenkung gehören zu Watson «Standards».
DEMO-FAHRT
Mit Paul am Steuer wird uns der EV-Type vorgeführt. Gestartet wird konventionell mit Drehen des «Zündschlüssels» und Druck auf den Startknopf. Dann ist das leise, Turbinen-artige, Summen des Motors zu hören. Der originalaussehende Schalthebel hat die Positionen Park, Rückwärts, Neutral und Drive. Das Auto ist mühelos zu bewegen. Auf offener Strasse demonstriert Paul die Leistungsfähigkeit des Motors. Mit 320 bhp und einem Drehmoment von 900 Nm (!) ist die Beschleunigung atemberaubend. Am Anfang hört man noch das Singen des Motors, dann dominieren die Windgeräusche. Das Verhalten auf der Strasse ist beispielhaft gut. Gebremst wird viel mehr mit der regenativen Bremskraft des Elektro- Motors als mit den Bremsen. Mit einem Notebook und über Software können die Charakteristiken der Leistungskurve des Elektromotors, der regenerativen Bremse sowie der Servolenkung entsprechend den Wünschen des Kunden angepasst werden. Paul sagt, dass man sehr schnell das Fehlen des Lärmes des XK-Motors vergisst. Die Sinne werden von der Gefühlsfreude des Fahrens und den Windgeräuschen belegt. Über alles gesehen ist die Erfahrung sehr beeindruckend.
WEITERER UMBAU AUF ELEKTRISCHEN ANTRIEB
Zurück in der Werkstatt wird uns noch ein klassischer Bentley beim Umbau auf elektrischen Antrieb gezeigt. Paul erklärt, dass es dem Kunden gelungen ist, ein Parkplatz im Zentrum von London zu ergattern und dass er jetzt sorglos in der Stadt damit fahren will. WER SIND DIE POTENZIELLEN KUNDEN? Nach dem Umbau wiegt ein EV-Type etwa 150 kg mehr. Der Umbau kostet GBP 90’000, ohne die Kosten des Fahrzeuges. Und so sind Patrick und ich bei der Frage, welche uns am meisten interessiert: Für welche Kunden werden EV-Type gebaut? Paul antwortet, dass das eine kleine Nischen-Aktivität ist. Über 90 % ihres Geschäftes bleiben Unterhalt und Restauration von klassischen Fahrzeugen, insbesondere von Jaguar. EV-Type sind für junge Leute ohne Bezug zur Mechanik und Technologie. Sie wollen, ohne sich Gedanken machen zu müssen und Vorbereitungen zu treffen, in das Fahrzeug einsteigen, den Schlüssel drehen und eines der schönsten Autos der Welt fahren – ein Auto, das weiter ein E-Type ist und wie ein E-Type fährt. Wait and see.