VERGASER UND MEHR
Text & Bilder: Martin Sigrist
Wir stehen vor dem Eingang der Garage Faust Auto AG in Hinwil – und sind etwas ratlos. Zwischen den vielen Hyundai-Neuwagen können wir uns kaum vorstellen, einen Spezialisten für Vergaser aller Art zu finden. Die klassische Gemischaufbereitung findet im Lehrplan eines Automechanikers keinen Platz mehr, dies schon seit längerem.
Nun, in den Automobilen moderner Prägung ist auch kein Platz mehr für Schwimmerkammer, Düsennadel oder ein Venturirohr. Wer allerdings auf Auto-Technik von gestern setzt, der wird sich früher oder später mit der Vergaserei auseinandersetzen müssen – und in manchen Fällen überfordert sein. Jenö Csikos spricht von Anfang an Klartext bei unserem Besuch in Hinwil. Denn nach einem Gang durch die moderne Garage finden wir auf der Rückseite des Gebäudes eine Werkstatt, die bereits durch ihre unverkennbare Duftnote nach reichlich altem Benzin davon erzählt, womit sich die zwei Zeitgenossen beschäftigen, die wir hier antreffen. «Ich repariere sehr häufig Vergaser, an denen sich zuvor bereits ein Unkundiger ausgetobt hat. Das Spektrum reicht von furchtbar bis grauenvoll!» Csikos greift nach einem Düsensatz, der in einem grünen Plastikbehälter liegt und hält sie unter unsere Nase. Kleine, silberne Punkte, bündig glatt mit dem gelben Messing der Düse verschliffen, fallen uns ins Auge. «Da hat jemand kurzerhand die Düsenöffnungen zugelötet …», so der Mechaniker. In der Tat, die Bedüsung eines Weber-Vergasers lässt einen weiten Spielraum an Optionen zu, von sportlich bis sparsam. Aber man sollte eine Ahnung davon haben, was man tut – und wissen, dass man Weber-Düsen in der Regel immer noch findet, statt welche zu ruinieren. «Bei verbohrten Gehäusen von alten Sandguss-Vergasern kommen einem dann die Tränen», zeichnet der hagere Mann in seinen Sechzigern ein weiteres Schreckensszenario. Seine Hand stützt sich auf eine Werkbank, auf der drei 45er Webervergaser in ihre Einzelteile zerlegt liegen. Sie gehören zu einem Aston Martin DB4 GT. «Da stimmte wenig und das Auto lief unbefriedigend, Gehäusedeckel und Gehäuse sind verschieden, ein Murks», beschreibt Jenö Csikos die Ausgangslage. Nun werden drei ordentliche, revidierte Vergaser angepasst, die dem Aston wieder das Schnurren beibringen.
MODERNE TECHNIK FÜR KLASSIKER
In einer Ecke steht ein alter Bekannter, ist dies ein Cooper-Rennwagen? Es ist, und die für die FIVA-Abnahme geforderten, zeitgerechten Webervergaser sitzen bereits auf nagelneuen Ansaugstutzen am 2.0-Liter grossen Coventry-Climax-Motor. Um diese perfekt anzupassen liess Csikos die Ansaugstutzen direkt in Aluminium 3D-drucken. «Die Herausforderung dabei ist, dass diese absolut dicht sind, das war früher beim direkten Printverfahren ein Problem», so der Spezialist. Das Spektrum reicht bei Jenö Csikos aber über die Vergaser hinaus, auf einer anderen Werkbank liegen die Bremszangen des Cooper. Diese erhalten eine Komplettüberholung: «Bei einem Rennwagen wurde ganz anderes Material eingesetzt, es empfiehlt sich, die Dichtungen sehr oft zu wechseln, damals geschah dies nach jedem Rennen.» Doch auch Getriebe, Motoren und Achsen gehören zum Repertoire des Kleinbetriebes. «Ich habe eine brillante Praktikantin, es gibt also Hoffnung, dass dieses Wissen dereinst weiterleben wird, vieles beruht auf Erfahrung, und es fällt einem manchmal nicht leicht, aber jeder muss auch gewisse Dinge selber erfahren, es braucht etwas Toleranz und natürlich auch Kontrolle und Support, aber das ist es wert», erklärt der Chef, während Melinda Kappeler einen Satz Vergaser zerlegt, um ihn zu reinigen. Die 18-jährige Automechanikerin mochte nicht weiter in einer modernen Garage arbeiten, nun lässt sie sich in die Geheimnisse alter Technik einweihen und macht dies, wie Csikos mehrmals betont, mit sehr viel Geschick.
LEIDENSCHAFT UND WELTGEWANDTHEIT
Jenö Csikos hat die Welt gesehen, in Afrika geschraubt, unter schwierigsten Bedingungen und mit viel Improvisationstalent und dabei auch manches Stück Lebensweisheit mit auf den Weg genommen. Das merkt man ihm an. Seine Philosophie ist derweil einfach. Die Dinge sollen korrekt und ohne Kompromisse gemacht sein, was zu tun ist, soll getan werden, Abkürzungen und faule Kompromisse – er erlebt die Folgen davon regelmässig – sind ihm ein Gräuel. Und der Mann nimmt sich Zeit. «Die Warteliste beträgt aktuell rund neun Monate, ich bin es meinen Kunden schuldig, dass ich mir die nötige Zeit nehme, Schnellschüsse sind selten zielführend», meint er dazu. Und man merkt es sofort, dass hier die Leidenschaft eine grosse Rolle spielt, in einer Ecke steht ein knallroter Lotus Elan – leicht verbreitert, dessen Motor steht ausgebaut in einem anderen Raum. Dies ist allerdings nicht der bekannte Lotus Twin-Cam, sondern ein Stück edelster Motorenbau, ein Cosworth BDA, der riemengetriebene DOHC-Rennmotor, der auch in besonders heissen Ford Escort für Action sorgte. Jenö Csikos greift zu einem Ansaugstutzen für eine Kugelfischer-Benzineinspritzung, auch dafür bringt der Fachmann einen reichen Erfahrungsschatz mit. Und wie steht es mit SU-Vergasern, logisch, aus jaguaristischer Sicht ist dies womöglich eine Kernfrage. Csikos holt den Body eines Vorkriegs-Vergasers: «Die Glocken sind gerade weg zur Politur, um diese Vergaser ranken sich soviele Halbwahrheiten …das fängt bei dem richtigen Dämpferöl für die Düsenstöcke bereits an» und Melinda Kappeler bringt mit ein: «Ich denke, sie gehören zu den einfachsten Vergasern überhaupt – wenn man sie versteht!» Nun denn, der Morgen in Hinwil war nicht nur sehr aufschlussreich, sondern auch beruhigend. Zunächst einmal, weil es sie noch gibt, die Mechaniker mit analytischem Denkvermögen, einem reichen Fachwissen und der Grösse, sich auch über die tieferen Sinne der automobilen Fortbewegung einen Gedanken zu machen, oder weit darüber hinaus. Und es ist ebenso gut zu wissen, dass sich jemand die Mühe macht, seine Erfahrungen weiter zu geben, dass diese dankbar aufgenommen und auch in Zukunft zur Verfügung stehen werden. Wie gesagt, Arbeit hat er genug, aber es lohnt sich womöglich, die Telefonnummer zu notieren, man weiss ja nie!