Die Jugend machen lassen
Text: Martin Sigrist, Bilder: Marius Egli, Ulrich Frede

Der erste Car-to-Car-Shoot des Jungfotografen Marius Egli (16) – die Idee dazu ist spontan entstanden
Die Jugend machen lassen
Mit freundlicher Genehmigung von Martin Sigrist, zwischengas.com (Blog vom 02.04.2025)
Gegen Ende März scheint der Zeitpunkt ideal, um in die neue Saison zu starten – nicht mit einer teuren Clubausfahrt, zu der man sich womöglich gar für viel Geld im Voraus hätte anmelden müssen, sondern ganz locker, mit einem unverbindlichen Treffen ohne Formalitäten, so wie sie das Ace Café in Rothenburg (LU) in regelmässigen Abständen und mit den unterschiedlichsten Themen anbietet.
Die Frühaufsteher stehen in Rothenburg meist schon um 10 Uhr auf der Matte, nach Mittag sind oft viele von ihnen schon wieder weg und so ist der Platz wieder frei – für jene, die etwas länger brauchen, um in die Gänge zu kommen – so wie ich an jenem Sonntag. Ich sehe da jeweils keinen Grund für unnötigen Stress und Betrieb gab es auch kurz vor Zwölf noch reichlich genug vor dem Lokal des Besitzers Dany Kunz.
Der vorletzte Sonntag versprach zudem wettertechnisch zunächst nicht sonderlich gut zu werden. Also, es regnete an diesem 23. März und eigentlich wäre es ein idealer Tag gewesen, um ihn bis zur Halbzeit im Bett liegend zu verbringen. Doch es gab gute Gründe es nicht zu tun. Denn dieses Mal war im «Ace» ein besonderer Besuch angesagt: Die lockere Gruppe junger Frauen rund um Julia Gut von «Race like Her». Es ist kein Verein, keine gross organisierte Gruppe, sondern es sind vielmehr die Kolleginnen und Followerinnen einer begeisterten Fahrerin eines MGB GT, deren erklärtes Ziel ist, mehr Frauen aus der Rolle der Beifahrerin zu holen und sie dazu zu animieren, das Lenkrad sebst in die Hand zu nehmen.
Angekündigt hatte sie das Treffen auf ihren Social-Media-Kanälen – mit Erfolg. Sogar aus der Region München und Stuttgart waren einige ihrer Followerinnen am 23. März angereist – Respekt!
Es ist aber auch dem Einsatz und der Unterstützung des Ace-Besitzers Dany Kunz zu verdanken, dass seine Classic-Car-Saisoneröffnung im Ace ein viel jüngeres Publikum angezogen hat, signifikant jünger, als man sich dies von ähnlichen Veranstaltungen gewohnt ist. Offenbar passt hier so manches: Es gibt genügend Platz, der Ort ist praktisch gelegen und das Personal wie die ganze Stimmung ist locker und ungezwungen.
Bunter Mix von Ponton-Mercedes bis Miata im Ace Café. Und ja, der Ford Fiesta der dritten Serie (1989 bis 1997) mag sogar älter sein, als der Fahrer oder die Fahrerin desselben
Die Gründe, warum hier die Jungen dominieren, sind aber noch vielfältiger. In erster Linie kommt es wohl einfach der jüngeren Generation entgegen, dass sie sich bei einem Drive-In-Meeting wie diesem nicht anzumelden brauchen und sich damit zu nichts verpflichten müssen. Man geht hin oder lässt es bleiben, ganz nach der aktuellen Lust und Laune. Dies bringt jene zur Verzweiflung, die innerhalb eines klassischen Clublebens eine Veranstaltung zu organisieren gedenken und sich die Mühe nehmen, weit im Voraus Termine, Restaurants und dergleichen zu reservieren. Ich denke jedoch, wir müssen uns einfach darauf einstellen. Die Angebote sind heute so vielfältig und die Alternativen sind zahlreich – und alles buhlt um die Jungen. Dabei sollte man sie wohl einfach machen lassen. Ihnen den Raum schaffen, einen Ort bieten und einfach die Türen offenhalten. Und dann nicht erwarten, dass sie genau gleich funktionieren wie unsereiner, die älteren bis alten Semester.
Doch zurück in Ace: Natürlich, an diesem 23. März habe ich wieder zahlreiche Leute im Ace getroffen – alte Bekannte und neue, junge Gesichter. Am Ende sind wir – der Kollege und ich – mit drei Autos im Schlepptau mit Jahrgängen zwischen 1963 und 1975 losgezogen. Die zwei Fahrer und die Fahrerin aber sind deutlich jünger, wesentlich jünger als ihr Mercedes Strich-Acht, der Buick oder der Studebaker. Wir aber haben spontan noch einige Car-to-Car Aufnahmen mit ihnen gemacht. Der Fotograf, dessen Idee es war und die wir gerne unterstützt haben, ist übrigens gerade einmal 16 Jahre alt.
Die Konklusion meines Saisonstarts ist: Man muss sie einfach machen lassen, die Jugend – und sie unterstützen und bekräftigen statt zu versuchen, ihnen Vorgefertigtes anzubieten.
Martin Sigrist ist Autojournalist und Redaktor bei zwischengas.com, Chefredakor der Jaguar Tribune und Vorstandsmitglied im JDCS.